Chi Magazin – Mein Artikel über Yoga

Yoga und der innere Schweinehund

Eigentlich wollte ich in meinem ersten Artikel über Faszienyoga schreiben. Während der Weihnachtsfeiertage, so ganz in Ruhe. Ich hatte bereits die ersten Zeilen zu Papier gebracht. Da hörte ich im Radio einen Beitrag über Neujahrsvorsätze. Wie viele dieser Vorsätze gefasst und vom Schweinehund gefressen werden. Da dachte ich an damals. An meinen Schweinehund. Und meiner Verbindung zu Yoga.

Günter Fellner in der CHI Erstausgabe „Yoga & der innere Schweinehund“

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Mein Yogaartikel in der CHI…
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… wie mein innerer Schweinehund…
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… meinen Yogaweg nicht aufhalten konnte.

Yoga boomt. Yoga sorgt vor. Yoga heilt. Immer mehr Menschen entdecken die unglaublichen Möglichkeiten des Yoga. „Die Wissenschaft vom Leben“, wie Yoga beschrieben wird. Einfach gesagt, wir verbinden durch Yoga unseren Körper, Geist und Seele harmonisch miteinander. Indem wir Yoga praktizieren, bekennen wir uns aktiv zur körperlichen und seelischen Gesundheit. Wir können mit Yoga sogar dem Alterungsprozess ein Schnippchen zu schlagen. Yoga ist ein uralter und doch auch ein moderner Weg zu mehr Lebensenergie, Gesundheit und innerer Klarheit. Außerdem ist Yoga auch der Schritt für eine spirituelle Weiterentwicklung.

In Österreich steigt die Zahl der Yoginis und Yogis stark an. Schätzungsweise bereits mehr als 450.000 Österreicher praktizieren eine der vielen verschiedenen Formen von Yoga und möchten diese schönen seelischen und körperlichen Streicheleinheiten nicht mehr missen.
Bei einer Bevölkerung von mehr als 8.8 Millionen Einwohner noch viel zu wenige, die Yoga praktizieren.


Gründe, kein Yoga zu praktizieren

Der Hauptgrund, weshalb Yoga noch nicht ganz die breite Masse erreicht hat, liegt oft am inneren Schweinehund. Dieser Schweinehund weiß 1.000 Gründe, Yoga nicht zu praktizieren. Beispielsweise gibt es bequemere Möglichkeiten, sich wohl zu fühlen, auch ohne Yoga. Weil der Schweinehund lieber faul auf der Couch liegen will, mit Schokolade, Chips oder Bierchen. Macht auch glücklich. Wenn der Körper verspannt ist und schmerzt, schlägt unsere innere Stimme dann eine feine Massage oder Sauna vor. Besser als sich zu bewegen, mal so gesehen aus Schweinehundesicht.


Schweinehunde mögen kein Yoga

Mein Schweinehund hieß Günter. So wie die meisten Schweinehunde Günter heißen. Vielleicht wussten meine Eltern schon, weshalb sie mir den Vornamen des beliebtesten Schweinehundes gaben. Meiner bellte sehr laut gegen Yoga. Doch mal von vorne erzählt: Ich war erst jugendliche 48 Jahre, und doch schon stark in meiner Bewegung eingeschränkt. Workaholic seit vielen Jahren. Sehr lange verging kein Tag ohne starke Schulterbeschwerden. Dazu noch Bandscheibendefekte an der HWS und im Rücken. Operieren wollten mich die Ärzte an der rechten Schulter. Günter-mein-Schweinehund (und auch mein Bauchgefühl) waren da anderer Meinung. Zugegeben hatte ich auch Angst vor einer OP. Man hört und liest ja so viel, was alles schief gehen kann. Als letztlich auch noch eine Augenkrankheit diagnostiziert wurde, schlitterte ich mit meinem 80-Stunden-IT-Job völlig ins Burnout.  Körperliche Probleme löste ich immer nur kurzfristig durch Physiotherapie und Massagen, seelische Streicheleinheiten blieben ganz aus.


Faszien Yoga statt Schulter operieren

Im physikalischen Institut Leopoldau buchte ich oft eine Gesundheitsmassage ergänzend zur Physiotherapie. Massagen, die den Schmerz (und auch den Geldbeutel) leichter machen. Karin, meine Lieblingsmasseurin, erzählte mir eines Tages von ihrer Faszienmassagen Weiterbildung. Sie sei überzeugt, dass ein Teil meiner Verspannungen und Schmerzen mit verklebten, verfilzten und verkürzten Faszien zusammenhängen würden und dass die Lösung meiner Probleme Faszien Yoga sein könnte.

Hmm, Faszien was ist denn das? Irgendwelche kleinen Tierchen?  Faszien klingt irgendwie faszinierend. Ich erfuhr, dass Faszien ein Teil unseres Bindegewebes sind und erst neu erforscht werden. Die „neue“ Faszienmassage, die ich von Karin bekam, war angenehmer als früher. Karin meinte jedoch, um meine chronischen Schmerzen loszuwerden, sollte ich mal in ein Yogastudio schnuppern gehen. Am besten in einer der noch raren Faszienyogastudios.


Yoga nur indische Akrobatik?

Faszienyoga oder Yoga in irgendeiner Form und Weise kam für mich nicht in Frage. Nie und nimmer Yoga. So eine Schnapsidee von Karin! Unglaublich! Ich und Günter (mein innerer Schweinehund), waren da völlig im Gleichklang. Yoga ist doch nur indische Akrobatik und ich bin doch schon glücklich, wenn ich mit meinen Händen halbwegs schmerzfrei in der Vorwärtsbeuge die Knie erreichen kann.

Meine Schmerzen wurden schlimmer, die Stimme meiner Masseurin nach Yoga immer lauter. Eines Tages, als der Schweinehund schlief, googelte ich nach Yogastudios in meiner Nähe und wurde fündig. Soll ich anrufen oder kneifen?


Mein erstes Mal – Yoga

Lucia nannte sich die nette Yogalehrerin am anderen Ende der Leitung. Ich erzählte ihr von meiner Unbeweglichkeit, von meinem Übergewicht und meiner Angst, mich zu blamieren. Von meinen Schmerzen, die jede Bewegung ohne Schmerztabletten unerträglich machen lassen. Doch hoffentlich der völlig ungeeignete Yogatyp?
Lucia empfahl mir, Yoga doch mal zu probieren. 18,- Euro kostet die Probestunde. Ob ich gleich einen Termin möchte? Meine Angst verflog, Lucias Stimme berührte mich irgendwie, ich sagte spontan „ja“.

Als ich dann das kleine Yogastudio am Rande der Stadt betrat, war ich unsicher aber doch auch voller Hoffnung. Lucia begrüßte mich in herzerwärmenden Art und Weise. Lucia war nicht nur herzlich, sondern auch bildhübsch. Ich durfte die Yogamatte rechts neben ihrer für meinen Erstversuch benutzen neben fünf anderen Yoginis. Keine Männer, ich völlig alleine unter Frauen? Was erwartet mich? Werden mich zwölf weibliche Augen peinlich genau beobachten, wie ich mich ungeschicklich bewegen werde?

Noch mehr Schmerzen aber innere Freiheit spüren

Der Beginn der Stunde war mal der Entspannung gewidmet. Schön für mich. Danach wurde gesungen: „OM“. Laute, die ich vorher nie hörte. Die aber tief in mein Innerstes wirkten. OM gilt das Urlaut im Buddhismus und Hinduismus und ist sowas wie heilig.
Nun die Körperübungen. Die Yogalehrerin turnte vor, alle machten es ihr nach. Zuerst nur sanfte, kreisende Bewegungen, dann wurden schon „Nägel mit Köpfen“ geschmiedet. Die Asanas (so nennt man in Yoga die Köperübungen) waren anstrengend. Weniger für die anderen, mehr für mich. Doch sie waren anders als Turnen, diese Bewegungen hatten etwas Besonderes. Nicht nur weil sie neu waren.
Schweißgebadet sehnte ich das Ende der Yogastunde herbei. Das Ende wird im Hatha-Yoga als „Savasana“, Entspannungshaltung, bezeichnet. Die Yoginis und ich als Yogi wurden von Lucia liebevoll zugedeckt, lavendelduftende Augenkissen verteilt.  Dann erzählte die Yogalehrerin eine Geschichte. Eine Traumreise. Eine Reise in das Innerste, ein Berühren der Seele. Nein keine Geschichte, wie sie Mütter den Kindern erzählen. Es geht nicht darum zu schlafen und zu träumen, sondern im Wachzustand eine Entspannungsreise zu träumen. Ich fand Lucia`s Traumreise so wunderbar erzählt mit voller Herz und Leidenschaft und ich wollte wieder kommen. Somit buchte ich einen 5er Yogablock.

Ich ging in mein Büro, viel Arbeit wartete darauf, erledigt zu werden. Meine Schmerzen waren zwar schlimmer, mein Geist aber war klarer und fühlte sich irgendwie frei an. Endlich wieder konzentriert arbeiten können! Viele Jahre konnte ich mich schon nicht mehr gut konzentrieren, ich wusste gar nicht, wieviel Schmerz und innere Anspannungen ich in mich aufgesaugt hatte.


Besser schlafen und erstmals spüren, was Prana bedeutet

Yoga machte mich entspannter. Seit Jahren schlief ich schlecht, als Seitenschläfer mit zwei Dauerschmerzschultern fand ich nie eine Schlafposition. Am Tag meiner ersten Yogastunde konnte ich deutlich besser schlafen.
Ich freute mich schon auf die zweite Yogastunde eine Woche danach.
In dieser und in den weiteren Yogastunden bei Lucia lernte ich auch ein völlig anderes Körpergefühl kennen. Meine Schmerzen wurden leichter, mein Geist wurde klarer und meine Seele spiritueller.


Yoga bedeutet auch Achtsamkeit leben

Ich besuchte weitere Yogastudios in meinem Umkreis. Bei Yogaengel Daniela lernte ich, wie mit Pranayamas (speziellen Atemübungen) der Körper mit dem Geist harmonisiert werden kann.  Als ehemaliger starker Raucher eine Wohltat für meine Lunge. Ich spürte immer mehr die Lebensenergie Prana fließen, in Verbindung mit Meditation, Atem und Köperübungen. Ich lernte Achtsamkeit kennen, das Leben im „Hier und Jetzt“. Wie schön es ist, wenn die Gedanken nicht nur in der Vergangenheit und Zukunft kreisen.

Yoga ist die Lösung. Die Yogalehrerausbildung mein Geschenk.

Immer mehr spürte ich den Wunsch, selbst die Yogalehrerausbildung zu absolvieren. War das möglich mit meinen körperlichen Einschränkungen? Meine Orthopädin war überrascht, wie sehr sich die Beweglichkeit in Schulter, HWS und Rücken verbessert hat und gab „grünes Licht“ für die Yogalehrerausbildung. Die Yogaakademie veranstaltete in Wien einen Infotag, den ich besuchte. Meine gesundheitlichen Einschränkungen waren kein Problem, da es für jede Körperübung Alternativen gibt. Was auch in der späteren Praxis in der Ausbildung als Yogalehrer kein Hindernis war. Die Ausbildung empfand ich als Bereicherung für das Leben. Ein Geschenk für mich von mir zu meinem 50. Geburtstag.

Yoga ist für alle da. Es gibt keinen Grund, nicht Yoga zu machen.

Nun bin ich fast 53 Jahre und unterrichte vier Gruppen pro Woche sowie Individualyoga. Auch viele Menschen mit Bewegungseinschränkungen, wie ich damals. Mit Übergewicht. COPD. Rheuma. Angststörungen. Depressionen.
Selbst bin ich gesünder als damals. Meine Allergie, die mich seit Kindestagen massiv begleitet hat, verschwand während der Yogalehrerausbildung. Auch meine Augenkrankheit ist geheilt. Und ich werde immer beweglicher.

Überlege dir mal, wie du gern leben würdest, wenn alles möglich wäre?
Vielleicht erscheint dir dieses Idealbild weit weg. Momentan noch. Du kannst aber schon heute beginnen, dich dorthin zu bewegen: Zu mehr Lebensenergie, innerer Klarheit und Gesundheit. Oder auch Yoga als Begleiter für deine spirituelle und geistige Weiterentwicklung sehen.

Wenn du deinen Schweinehund nicht zu Wort kommen lässt. Trau dich. Du selbst bist die Veränderung.

Weiterer Artikel von mir: „Das dauerhafte Glück finden“  (CHI #8, September 2021)

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